Haushaltskürzung
im Bereich Jugend 2023/24
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
sehr geehrter Herr Dezernent Voigtsberger,
sehr geehrte Frau Amtsleiterin Niederlein,
der Kölner Jugendring, als Vertreter von 21 Jugendverbänden und –organisationen, stellt sich im Namen der Kölner Kinder und Jugendlichen entschieden gegen Ihre im Haushaltentwurf 2023/2024 geplanten Einsparungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit.
Alle Träger und Vereine der Jugendarbeit in Köln haben in den letzten Jahren viele Herausforderungen gemeistert und dafür gesorgt, dass die Kölner Kinder und Jugendlichen nicht allein durch diese schweren Zeiten mussten.
Alle Fachleute, Studien und vor allem die Kinder und Jugendlichen selbst senden Hilferufe nach MEHR Angeboten und Hilfen. Sie als Vertreter:innen der Stadt Köln sorgen mit Ihrer Entscheidung jedoch genau für das Gegenteil!
Es ist für uns unverständlich, wie nach diesen Jahren der Pandemie – in denen von den jungen Menschen eine so große Rücksichtnahme zum Schutz unserer Gesellschaft eingefordert wurde – ihnen jetzt die außerschulische Bildung gekürzt werden soll!
Wir fordern im Namen der Kölner Kinder und Jugendlichen, dass das Mindestziel nur sein kann den IST-Stand der Finanzierung im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit zu halten. Denn schon jetzt ist klar, dass Kinder und Jugendliche – angesichts der aktuellen Krisen – mehr denn je Angebote brauchen, die sie begleiten.
Eine Diskussion über Kürzungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe führen zu müssen, ist insbesondere während im selben Monat die Stadt Köln die Verlängerung des Siegels „Kinderfreundliche Kommune“ erhält, zynisch.
Angehängt haben wir die Schreiben unsere betroffenenMitgliedsorganisationen, welche ihre Situation nochmal beschreiben.
Gerne sprechen wir auch direkt mit Ihnen – Einladungen oder Gespräche direkt an unseren Geschäftsführer Thorsten Buff gstelle(ät)koelner-jugendring.de // 0162 88 36 055
Mit freundlichen Grüßen
Der Kölner Jugendring e.V.
(Diese Stellungnahme wurde einstimmig in der Vollversammlung am 01.09.2022 beschlossen!)
Liebe Mitgliederversammlung,
Lieber Vorstand,
Liebe Thorsten Buff,
Der Kölner Jugendring e.V. steht für die Belange der Kinder und Jugendlichen dieser Stadt. Eure langjährigen Mitgliedsinitiativen: JFC-Medienzentrum und Kölner Spielwerkstatt sind -neben 8 weiteren Facheinrichtungen- von Kürzungen bedroht. Wir bitten Euch freundlich, den nachstehenden Sachverhalt zu lesen, um dann ein entsprechendes Solidaritätsschreiben an Politik und Verwaltung zu übersenden. Das wäre bestimmt hilfreich für uns!
Am 17.08.2022 wurde der Haushaltsentwurf für die beiden kommenden Jahre im Rat der Stadt Köln vorgestellt. Dieser sieht Kürzungen bei Trägern der Kinder- und Jugendarbeit vor.
Betroffen sind dabei auch wir Kulturpädagogischen Facheinrichtungen. Wir sind entsetzt über den geplanten Wegfall von im Jahr 2020 zugesetzten Stellen. Die Schaffung dieser Stellen war dringend erforderlich und geschah im fachlichen und politischen Konsens. Eine Befristung war niemals vorgesehen.
Insgesamt betragen die Einsparungen von 10 halben Stellen durch diese Maßnahme für die Stadt Köln ca. 350.000,00 Euro. Für die einzelnen Träger bedeutet dies Kürzungen der städtischen Förderung zwischen 25 % und 50%. Dies geschieht ohne Vorankündigung und gefährdet damit die Grundstruktur und das Fundament der Kulturpädagogischen Facheinrichtungen!
Diese betroffenen Stellen sollten u.a. die Träger befähigen, Drittmittelakquise zu betreiben und damit ihre Kapazitäten auszuweiten, um weitere niederschwellige, dringend nötige Kulturangebote für Kinder und Jugendliche in benachteiligten Stadtteilen zu akquirieren und diese auch dort durchzuführen.
All das wurde trotz der schweren pandemischen Lage der letzten Jahre und die damit zusammenhängende schwierige Existenzsicherung der Träger umgesetzt.
Sowohl die Corona-Situation wie auch die anderen Herausforderungen der letzten Jahre (Flutkatastrophe, Ukrainekrieg) verlangten von den kulturpädagogischen Einrichtungen immer wieder schnelles Handeln, flexible Reaktion und fachliche Hilfe. Wir waren bei Anfragen des Jugendamtes stets zur Stelle und nahmen die zusätzlichen Aufgaben mit großem Engagement an. Dies war uns nur möglich, weil wir (endlich nach vielen Jahren Kampf) durch das verbesserte Stellenkontigent die Kapazitäten dazu hatten. Fällt diese Förderung weg, bedeutet dies in Konsequenz auch den Rückgang der kulturpädagogischen Angebote in der Stadt.
Die Stellen waren zugesichert!
Auch die Erstellung der neuen Förderprogramme, die Ende 2021 JHA und im Rat der Stadt Köln verabschiedet wurden, haben unsere Träger intensiv begleitet und mitgestaltet.
Im Sinne dieser Beschlüsse sollten unsere Träger bereits Ende 2021 neue Zuwendungsverträge mit einer Laufzeit von fünf Jahren bekommen. Dies war zugesagt, damit die Träger eine mittelfristige Planungssicherheit erhalten. Mit diesen Zuwendungsverträgen sollten auch die nun betroffenen halben Stellen in die mittelfristige Finanzplanung kommen. So sah es die gemeinsam mit dem Jugendamt abgestimmte Jugendhilfeplanung vor.
Die Abstimmung der Zuwendungsverträge erfolgte bereits Mitte 2021 mit allen Beteiligten. Auf die Umsetzung und Unterschrift seitens der Stadt warten wir jedoch seitdem vergeblich. Seit Januar 2022 arbeiten wir ohne vertragliche Absicherung aber mit den regelmäßigen Zusicherungen, dass die Verträge „noch etwas dauern“. Im Sinne der abgestimmten Zuwendungsverträge erhalten wir auch vierteljährlich Abschlagszahlungen incl. der 2020 zugesetzten halben Stellen, weshalb wir fest von der bisherigen Förderungshöhe für die nächsten fünf Jahren ausgehen.
Und nun plötzlich: anstelle der Förderverträge erfahren wir, dass die zugesetzten Stellen nicht mehr im HH 23/24 stehen?
Die Kürzung gefährdet Träger und bedeutet den zwangsläufigen Rückgang des Angebots!
In den schwierigen vergangenen Jahren arbeiteten wir Schulter an Schulter mit dem Jugendamt. Wir haben uns an allen Maßnahmen, Änderungsprozessen beteiligt und sind bis an den Rand unserer Kapazitäten gegangen. Bei jedem dringend entstandenen Bedarf und Bitten seitens der Stadt sind wir eingesprungen, um in diesen turbulenten Zeiten für Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt da zu sein: Coronakonforme Ferienprogramme, zusätzliche und kurzfristig aufgesetzte Angebote in Geflüchtetenheimen, Umsetzung der Programme „Aufholen nach Corona“, Teilnahme an städtischen Events usw.;
Das geplante Vorgehen der Verwaltung ist ein massiver Vertrauensbruch: Die betroffenen Stellen sind aufgrund der Absprachen unbefristet besetzt. Eine so kurzfristige Aufkündigung der Arbeitsverhältnisse ist für die Träger gar nicht möglich.
Die geplante Kürzung in Höhe von 25-50% der städtischen Förderung und somit des Stellenvolumens bringt einzelne Träger nach der schweren Coronazeit, inmitten der drohenden Energiekrise in Notlage.
Wir, Träger der Freien Jugendhilfe, die qualifizierte kulturpädagogische Arbeit leisten, brauchen Planungssicherheit, um unsere Angebote für Kinder und Jugendliche in Köln weiterhin kompetent durchzuführen und die zahlreichen neu entstehenden Aufgaben mit Engagement und Flexibilität anzunehmen.
Ist diese Maßnahme verhältnismäßig?
Eine dermaßen kurzfristige, nicht kommunizierte und unerwartete Kürzung in dieser Höhe zwingt unsere Einrichtungen dazu, ihr Angebotsstruktur zu überdenken und stellenweise drastisch zurückzufahren. Ist das heute den Kindern und
Jugendlichen gegenüber vertretbar und im Angesicht einer Einsparung in Höhe von 350.000,- Euro angemessen?
Auch wenn die Einsparungen der Verwaltung rein formal auf den ersten Blick korrekt sein mögen („alles was nicht in der mittelfristigen Finanzplanung steht, wird nicht wieder in den HH eingestellt“), so sind sie in der Realität eine eklatante Fehlentscheidung. Diese gefährdet Strukturen mit hohem Wert für Kinder und Jugendliche und die Stadtgesellschaft.
Wir werden das Gefühl nicht los, dass sich hier die Verwaltung nicht tiefergehend mit der Problematik auseinandergesetzt hat und nicht die weitreichenden Folgen dieser Kürzungen geprüft hat.
Wir fordern die Rücknahme der Kürzungen und die dauerhafte Sicherstellung der genannten Stellen in der Finanzplanung und bitten Sie für dieses Anliegen dringend um Unterstützung. Für Rückfragen stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Für die kulturpädagogischen Facheinrichtungen
Christoph Horstkotte (Kölner Spielewerkstatt e.V.) & Eva Adorjan (Latibul)
Köln, 26. August 2022
Dieses Schreiben geht gleichlautend an die Oberbürgermeisterin, die Fraktionsspitzen und Jugendpolitischen Sprecher, den Beigeordneten Herrn Robert Voigtsberger sowie an die Leiterin des Amtes für Kinder Jugend und Familie Frau Dagmar Niederlein.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
sehr geehrter Herr Beigeordneter Voigtsberger,
sehr geehrte Frau Niederlein,
mit großer Sorge nehmen wir die geplanten Kürzungen für die Arbeitsbereiche der Jugendförderung im Haushaltsentwurf für 2023/2024 zur Kenntnis.
Von den angekündigten Einsparungen ist auch unsere LSBTIQ*-Jugendberatungsstelle im anyway betroffen. Die Stelle wurde erst Anfang 2020 in Folge gestiegenen Beratungsbedarfes bei queeren Jugendlichen – insbesondere im Themenfeld trans* und geschlechtliche Identität, geschaffen – und zwar motiviert durch das Jugendamt. Seitdem hat sich insbesondere der Bedarf durch Corona noch einmal verstärkt. LSBTIQ*-Jugendliche haben als vulnerable Gruppen besonders unter der Pandemie gelitten, wie zahlreiche Studien belegen.
Der Beschluss des kommenden Haushaltes, so wie er derzeit in einem Entwurf vorliegt, würde die Schließung unseres Beratungsangebotes bedeuten. Die Jugendberatungsstelle ist das einzige niederschwellige Angebot der Jugendförderung für junge trans* Jugendliche und junge Erwachsene (inklusive non-binary, genderfluid, agender und genderqueer) in Köln.
Mit diesem Brief möchten wir zum Ausdruck bringen, dass der aktuelle Entwurf dramatische Konsequenzen für junge trans* Menschen in Köln haben würde.
Trans* Jugendliche sind einer Vielzahl von Diskriminierungen und Marginalisierungen ausgesetzt. Abweichende Geschlechtsidentitäten werden von großen Teilen der Gesellschaft in Frage gestellt oder gar pathologisiert, also als
krankhaft verstanden. Infolgedessen sind trans* Jugendliche auch häufiger Opfer von verbaler und physischer Gewalt – und das ausdrücklich auch in unserer Stadtgesellschaft. Die Berichte der Nutzer:innen unserer Angebotes zur Hasskriminalität ihnen gegenüber sind erschreckend. All diese Diskriminierungen und Einschränkungen stellen für viele Jugendliche eine große Belastung dar. So berichten uns Nutzer:innen häufig von Depressionen, Angstsymptomen und Suchterkrankungen.
Zudem widerspricht die Streichung auch Ihrer Zusage, Frau Reker, kurz vor der Oberbürgermeister:innenwahl in einem Interview mit Jugendlichen vom anyway im September 2020. Sie versicherten damals: „Sie können sich darauf verlassen, dass ich keine Strukturen zerschlage, die wir aufgebaut haben und wo der Bedarf wirklich da ist. Und dazu gehört diese Struktur. Das wird von mir weder vorgeschlagen noch mitgetragen.“
Zugleich würde die Streichung beim anyway das Versprechen des Kölner Ratsbündnis aus dem Bündnisvertrag ad absurdum führen. In diesem heißt es: „Das bestehende queere Jugendzentrum werden wir stärken […].“ (Bündnisvertrag S. 72, März 2021). Die Stärkung ist dringend notwendig. Bereits jetzt ist die Nachfrage viel größer als das Angebot: So kann das anyway nicht mehr alle Beratungsanfragen umgehend bedienen, weil die Ressourcen dafür nicht ausreichen. Es ist also offensichtlich, dass die LSBTIQ*-Jugendberatungsstelle mit dem Schwerpunkt Trans* gebraucht und genutzt wird.
Hinzu kommt, dass der Mehrbedarf an Geldern durch das anyway im Haushaltsentwurf gar nicht erst berücksichtigt wurde. Die unzureichende Grundförderung des anyway führt zu allgemeiner Arbeitsüberlastung, die aktuell nurdurch das hohe Engagement der Mitarbeitenden abgefedert werden kann.Diese Sachlage ist dem Dezernat, dem Jugendamt, den jugendpolitischen Sprecher:innen sowie den Fraktionen bekannt und mehrfach wurde in Gesprächen mit allen genannten Beteiligten darauf hingewiesen. Die Arbeitsüberlastung ist nicht länger leistbar, sodass nun auch als Konsequenz fehlender politischer Lösungen ein Aus beziehungsweise eine Begrenzung bestehender Projekte droht. Dies könnte beispielsweise unseren „neuen“ Treff in Köln-Mülheim, die Schulaufklärungsarbeit mit ihrer enorm hohen Nachfrage sowie weitere Projekte betreffen.
Dass anyway leistet seit fast 25 Jahren einen wichtigen Beitrag für die Akzeptanzförderung in unserer Stadt, in dem es Jugendlichen hilft und sie zu selbstbewussten Bürger:innen und damit auch Multiplikator:innen für Vielfalt macht. Aus der städtischen Zivilgesellschaft ist das anyway in seiner jetzigen Form nicht wegzudenken. Es leistet einen Beitrag zu vielen Zielen, die im Aktionsplan LSBTI: „Selbstverständlich unterschiedlich – Aktionsplan der Stadt Köln zur Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ formuliert wurden.
Uns ist eine stabile Finanzierung für 2023/24 und die Folgejahre wichtig, um das notwendige Angebot für LSBTIQ*-Jugendliche und unseren Beitrag zur Stadtgesellschaft in gewohnter Qualität fortführen zu können. Gute Arbeit braucht Planbarkeit über den Jahreswechsel hinaus. Deshalb rufen wir Sie auf: Stärken Sie das anyway statt Förderungen zu streichen!
Gerne möchten wir im persönlichen Gespräch mit Ihnen über unser Anliegen und die durch den Haushaltsentwurf verschärfte Notlage des anyway sprechen. Dazu erreichen Sie den Leiter des anyway, Jürgen Piger.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Balke & Sven Norenkemper